Es war kurz nach 22 Uhr, als Jonas im Hotelzimmer ankam. Die Stadt lag ihm zu Füßen – er hatte ein Zimmer im achten Stock bekommen, mit Panoramablick auf die erleuchtete Skyline. Er öffnete das Fenster, ließ die frische Abendluft herein. Dann sah er sie.
Direkt gegenüber, im Fenster des Nachbarhotels: eine Frau, elegant, selbstbewusst. Ihr Zimmer lag nur wenige Meter entfernt, durch den schmalen Lichthof getrennt. Ihre Gardinen waren offen. Seine auch.
Sie schien ihn zu sehen – oder hatte sie ihn schon beobachtet? Es war kein neugieriger Blick. Es war ein stummes Spiel. Ihre Hand ging zu ihrem Glas Rotwein, ihre Augen aber blieben auf ihm. Sie lehnte sich an den Rahmen, nur mit einem leichten Seidenkleid bekleidet, das ihr wie flüssiges Licht über die Haut floss.
Jonas hielt den Blickkontakt. Seine Hand auf dem Fenstersims wurde feucht. Er fühlte sich ertappt – und gleichzeitig eingeladen.
Plötzlich drehte sie sich um, verschwand für einen Moment. Als sie zurückkam, war das Licht in ihrem Zimmer gedimmt. Und sie… war nackt.
Keine plumpe Pose, keine Show. Sie stand einfach da, als würde sie sagen: „Siehst du mich – oder spürst du mich?“
Jonas schluckte. Etwas in ihm wurde wach, das lange geschlummert hatte. Vorsichtig trat er näher ans Fenster, das Licht in seinem Zimmer noch an. Er hob sein Glas – sie hob ihres. Ein stiller Toast zwischen Fremden.
Dann zog sie einen Vorhang zur Seite, langsam, bedeutungsvoll. Mit einer Hand schrieb sie etwas auf das beschlagene Glas: „Zimmer 812“
Jonas’ Herz schlug schneller. Seine Hand zitterte leicht, als er zur Tür griff.
Der Flur war still. Der Teppich dämpfte seine Schritte. Stockwerk 8. Tür 812. Er zögerte – nur eine Sekunde. Dann klopfte er an.
Sie öffnete. Keine Worte. Nur ein Lächeln, das alles sagte. Und eine Hand, die ihn leise ins Zimmer zog.
Was folgte, war kein schnelles Abenteuer. Es war das langsame Entdecken zweier Fremder, die sich nichts sagen mussten, um zu verstehen. Ihre Körper fanden sich, ohne Hast. Alles war weich, tief, kontrolliert – voller Spannung und ohne ein einziges unnötiges Wort.
Am nächsten Morgen war sie fort. Kein Zettel. Kein Name. Nur das Gefühl, dass diese eine Nacht ein Teil von ihm bleiben würde. Für immer.