Die Straßen glänzten vom Regen, als ob jemand die ganze Stadt frisch poliert hätte. Es war einer dieser plötzlichen Sommerabende, an denen der Himmel sich ganz ohne Vorwarnung öffnete. Menschen rannten, Schirme klappten auf – Chaos, Lachen, durchnässte Kleidung.
Mira hatte keinen Schirm. Ihre Tasche war schwer, ihr Kleid bereits durchweicht. Sie flüchtete unter ein kleines, halb kaputtes Vordach eines alten Buchladens. Dort stand er.
„Du hast den Regen auch unterschätzt?“ fragte er mit einem Lächeln, das mehr Wärme ausstrahlte als jede Sonne.
Sie nickte, atmete tief durch. „War nicht geplant.“
Der Regen trommelte auf das Blech über ihnen. Eine zufällige Insel in der nassen Großstadt. Sie standen dicht nebeneinander, ohne es zu wollen. Oder vielleicht doch?
Er war groß, trug ein graues Hemd, das langsam an der Brust klebte. Seine Haare waren leicht zerzaust vom Wind. Sie spürte seinen Blick auf ihrer Haut, obwohl er sie nicht direkt ansah – zuerst.
Als sich ihre Augen trafen, war es wie ein kurzer Stromstoß. Kein Flirten, kein Spiel – nur dieses leise Erkennen, dass etwas in der Luft lag.
„Willst du… einen Moment abtauchen? Ich kenn ein Café gleich da vorne. Winzig, aber trocken.“
Sie zögerte. Dann nickte sie.
Das Café war leer. Nur Jazzmusik, der Geruch von Kaffee und nassem Asphalt. Er nahm ihre nasse Jacke, reichte ihr ein Taschentuch. Ihre Finger berührten sich. Kurz. Zart.
Sie redeten wenig. Doch ihre Blicke sprachen in langen Sätzen. Seine Stimme war ruhig, seine Bewegungen langsam. Er ließ Raum – aber nur gerade genug.
Als ihre Hände sich wieder trafen, war es kein Zufall. Und als sie sich über den Tisch beugte, kam er ihr nicht entgegen – er wartete. Als würde er sie entscheiden lassen.
Sie küsste ihn zuerst. Still, vorsichtig. Doch dann tiefer, verlangender. Inmitten dieser kleinen Welt aus Dampf und Musik verloren sie die Zeit. Es war ein Kuss voller Spannung, weich, aber bestimmt.
Draußen prasselte der Regen weiter, als sie das Café verließen. Er begleitete sie zur nächsten Straßenecke. Dort standen sie einen Moment im Wind, der die Stadt kühl küsste.
„Manche Begegnungen muss man nicht erklären“, sagte sie.
„Nur fühlen“, antwortete er.
Er berührte ihre Wange – sanft, voller Respekt – dann drehte er sich um und verschwand zwischen den Lichtern der Stadt.